Letztes Jahr im November war es so weit. Mein Pferd sollte die Eisen abgenommen bekommen um zukünftig barhuf zu laufen.
Wir hatten verschiedene Schmiede, die ihre Hufe bearbeitet haben und keiner konnte mich so richtig mit seiner Arbeit überzeugen. Mein Pony lief entweder fühlig oder verspannt nach dem Beschlag, die Umstellung auf Winterstollen führte zu deutlichen Taktproblemen inklusive Stolpern. Dazu fiel mir auf, dass die Wachstumsrillen sich unregelmäßig entwickelten. Also machte ich mich auf die Suche nach einem Huforthopäden und gelangte so zu Andrea Stephan, Huforthopädin nach Jochen Biernat.
Da sie mir immer mit Rat und Tat zur Seite steht, habe ich sie gebeten, einige Fragen zum Thema Barhuf zu beantworten, damit auch ihr von ihrem Wissen und ihrer Erfahrung profitieren könnt.
Liebe Andrea, welche positiven Aspekte hat das Barhuflaufen?
Der Hufmechanismus, der durch Hufeisen stark eingeschränkt wird, sorgt für eine bessere Durchblutung der Lederhäute im Huf. Dadurch wird stabileres Horn produziert.
Durch die Hufmechanik erhält der Huf die Möglichkeit sich an unebene
Bodenverhältnisse anzupassen. Dadurch werden Stöße abgemildert und somit
die Gelenke geschont.
Wenn sich mit zunehmendem Alter die Gelenke verändern (Arthrose, Spat), bekommt das Pferd die Möglichkeit sich den Huf so anzulaufen, wie es ihm angenehm ist.
Außerdem bekommt das Pferd bekommt die Möglichkeit mit den Hufen zu fühlen und zu tasten.
Ein weiterer positiver Aspekt ist, dass im Winter das Problem des Aufstollens entfällt.
Wenn das Pferd nun die Eisen abgenommen bekommen soll, was ist dabei zu beachten?
Wenn man sich zur Eisenabnahme entschließt, sollte der letzte Beschlag
mindestens 5 – 6 Wochen her sein. Das sollte der Hufbearbeiter individuell vor
Ort entscheiden. Je mehr Hornmaterial vorhanden ist, desto größer ist die Chance
auf eine erfolgreiche Eisenabnahme.
Grundsätzlich kann auch der Schmied die Eisen abnehmen. Zu beachten ist,
dass keine komplette Barhufbearbeitung erfolgen sollte. In der ersten
Bearbeitung sollten lediglich minimale Korrekturen erfolgen. Wenn man den
Abrieb einschätzen kann, kann eine komplette Bearbeitung erfolgen.
Nach erfolgter Eisenabnahme ist das Pferd ein Reha Patient. Je nach
Hufzustand ist das Pferd erst einmal nicht reitbar. Der Abrieb ist so gering wie
möglich zu halten. Wie lange diese Phase anhält, läßt sich nicht vorhersagen.
Vorsichtige Prognosen sind allerdings möglich.
Anm.: Das Pferd sollte sich in der Zeit nach der Eisenabnahme so bewegen können, wie es möchte. Dass heißt, es darf zum Beispiel auf der Wiese oder dem Paddock stehen.
Gibt es körperliche Einschränkungen, die gegen eine Eisenabnahme sprechen?
Meiner Meinung nach gibt es keine Befunde, die gegen eine Eisenabnahme
sprechen. Gerade der Barhuf lässt es zu, dass das Pferd sich die Hufe so anläuft,
wie es für die Gelenke am angenehmsten ist. Der Schmied schneidet den Huf
„schön“ und nagelt dann das Eisen drunter. Ob es für das Pferd so optimal ist,
kann er nicht beurteilen. Bereits bestehende Gelenkschäden verschlimmern
sich dadurch. Zahlreiche phantasievolle orthopädische Beschläge verfehlen
ihren Zweck und lassen den Huf oft dramatisch schlechter werden.
Gerade bei einer Rehe ist es wichtig den Huf in kurzen Intervallen zu bearbeiten, Hebel
auszuschalten, um Schäden zu minimieren. Das ist nur Barhuf möglich.
Wenn sich das Pferd die Hufe schief anläuft, ist das schädlich für die Gelenke?
Jeder Huf besitzt eine mehr- und eine weniger belastete Hufhälfte. Dadurch
und durch unterschiedliches Abfußverhalten erfolgt eine unterschiedliche
Abnutzung des Hufes.
Dieser Tatsache tragen wir Huforthopäden (nach Biernat) mit unserer
Hufbearbeitung Rechnung. Wir bearbeiten den Huf so, dass er sich durch
Abriebsteuerung selber in seine optimale Form anläuft. Dies ist nur bei
Bearbeitungsintervallen von vier Wochen möglich.
Nicht jeder schiefe Huf schädigt die Gelenke. Oft sind Veränderungen an der
Knochensäule, den Sehnen oder den Bändern der Grund dafür, dass man einen
Huf nicht mehr in seine, in unseren Augen, „schöne“ Hufform zurückführen
kann. Ursache hierfür können ein langjährig falscher Beschlag sein, fehlerhafte
Hufbearbeitung im Fohlenalter, falsch behandelte Rehe oder auch Unfälle. Mit
diesem schiefen Huf ist das Pferd durchaus in der Lage schmerzfrei zu laufen.
Und wenn das Pferd fühlig läuft? Was gibt es dann zu beachten?
Die Empfindlichkeit oder auch Fühligkeit ist bei jedem Pferd verschieden. Sie ist
nicht zwingend abhängig von der Dicke der Hufsohle. Es gibt Pferde mit
reichlich Sohle, die trotzdem fühlig laufen, während Pferde mit dünnerer Sohle
keine Probleme haben. Ebenso spielt die Hufform eine Rolle. Enge, steile Hufe
haben in der Regel weniger Probleme mit Fühligkeit, als breite, flache Hufe.
Über Steine, Schotter und Ähnlichem darf jedes Barhuf-Pferd fühlig laufen. Hier
könne Hufschuhe Abhilfe schaffen. Auf weichem Boden oder Asphalt sollte es
„normal“ laufen können.
Wie sieht es mit Pferden im Leistungssport aus? Können auch sie ohne Eisen auskommen?
Diese Frage ist nicht so einfach mit ja oder nein zu beantworten. In den
niedrigeren Klassen ist der Einsatz ohne Eisen mit Sicherheit möglich. Bei
Springen in den höheren Klassen werden Eisen vermutlich notwendig, schon
alleine deshalb, weil dann Stollen eingeschraubt werden müssen. Ebenso
erfordern lange Distanzritte und Kutschfahrten einen Abriebschutz. Ob ein
Grand Prix Pferd Eisen braucht kann ich nicht beurteilen. Aber warum sollte es
hier nicht ohne möglich sein?
Vielen Dank, Andrea, für die Beantwortung der Fragen! Solltet ihr überlegen, euerem Pferd die Eisen abnehmen zu lassen, hoffe ich, dass Andrea die letzten Zweifel ausschalten konnte!
Wer mehr über Andrea wissen möchte, kann sich auf ihrer Homepage informieren.
Als Huforthopädin ist sie in der Region Pulheim unterwegs.