Manchmal wünsche ich mir meine kindliche Empathie zurück – dann könnte ich schöne Kindheitserinnerungen ohne schlechtes Gewissen wieder aufleben lassen.
Traditionell findet in diesen Tagen wieder das Weltfest des Pferdesports in der Aachener Soers statt. Als “Fast-Aachenerin” verfolge ich das CHIO seit frühester Kindheit. Früher als Zuschauerin im Stadion, heute hauptsächlich am Fernsehen.
Scheinbar wird man, mit zunehmendem Alter und wachsender Erfahrung immer kritischer, was den Pferdesport anbelangt.
In Kindertagen habe ich jeden Reiter bewundert und beklatscht. Als am Donnerstag der Nationenpreis der Springreiter im TV zu sehen war, hat diese Aufgabe der vor Euphorie strotzende Moderator übernommen und ich habe mir gleichzeitig meine kindliche Empathie mit den Reitern des großen Sports zurück gewünscht.
Während der übermotivierte Kommentator von stilistischen Glanzleistungen sprach, hatte ich Angst, dass der Reiter nach dem nächsten Hindernis endgültig hinter dem Sattel landet. Vielleicht sitzt es sich ja auf der Lendenwirbelsäule bequemer, ich habe es noch nicht ausprobiert.
Zugegeben, nur wenige Reiter waren -sofern ich das vor dem Bildschirm beurteilen konnte- mit abenteuerlichen und heftigen Zäumungen unterwegs. Immerhin. Diese wurden jedoch bei manch einem Reiter ersetzt durch eine stark verkürzte Zügelhaltung (übrigens auch über dem Sprung) und kräftiges Riegeln mit den Zügelfäusten. Was bei mindestens einem Pferd auch nichts brachte. Es flüchtete so schnell es konnte nach dem Zielsprung auf den Abreiteplatz. Nun ja, es hatte keinen Zeitfehler kassiert, immerhin!
Der überdrehte Moderator lobte weiterhin die feinen Reitstile und wurde nicht müde, Vergleiche mit der jüngst vergangenen Fußball-EM zu ziehen. Währenddessen saß ich staunend vor dem Fernseh-Bildschirm und sah Pferde, die sich den Reiterhilfen entzogen, den Rücken weg drückten, mit angespanntem Gesicht die Ohren anlegten und versuchten, ihre verkrampfte Körperhaltung mit Buckeln zu regulieren.
Wer einmal live in Aachen auf dem CHIO war, der weiß, welch tolle und faire Stimmung dort herrscht. Jeder Abwurf wird mit einem kollektiven “Oooooh” quittiert, jeder Null-Fehler-Ritt frenetisch bejubelt, unabhängig von der Nationalität des Reiters.
Die Schickeria des Rheinlandes verbündet sich mit dem normalen Volk und winkt gemeinsam beim Abschied der Nationen mit weißen Taschentüchern. Die Reiter geben sich publikumsnah und Drängeleien der Zuschauer gab es höchstens zu Totilas glorreichen Zeiten.
Die Stimmung auf der Soers ist einfach unvergleichlich. Noch ein Grund, warum ich mir meine kindliche Unbefangenheit zurück wünsche. Denn mittlerweile fällt es mir schwer, angespannte Ritte mancher grobmotorischer Springreiter zu beklatschen. Sicherlich, ein gewagter und flotter Ritt begeistern Publikum und Bundestrainer. Gerade jetzt, wo es um die ersehnten Tickets für die Olympischen Spiele geht. Aber zu welchem Preis?
Glücklicherweise war auch am Donnerstag das ein oder andere Pferd zu sehen, das nach seiner Runde im Parcours entspannt am langen Zügel die Bahn verließ. Für meinen Geschmack hätten es mehr sein können.
Zum Schluss möchte ich noch erwähnen: Nein, ich kann es nicht besser. Mein Pony und ich können nicht über mannshohe Hindernisse springen. Aber das möchte ich auch gar nicht. Ich bin glücklich, wenn mein Pferd glücklich ist. Ich habe auch nichts gegen Leistungssport mit Pferden. Ich würde mir nur wünschen, dass das Pferd mit seinen Bedürfnissen wieder mehr in den Vordergrund rückt.
In diesem Sinne: Nur entspannte Pferde sind glücklich und zufrieden!