Pferd Training Motivation

Immer wieder erlebe ich Pferde, die nicht wollen. Sie wollen nicht auf den Hänger, sie wollen ihre Herde nicht verlassen, sie wollen sich nicht auf den Menschen oder das Training einlassen. Dieses „Nicht-Wollen“ äußert sich schon in ganz kleinen Dingen wie einer verspannten Maulspalte oder Sorgenfalten über dem Auge. Oder aber auch in ganz deutlichen Reaktionen wie Stehen bleiben, rückwärts laufen oder der Flucht nach vorne.

Den wohl schlimmsten Fall von „Nicht-Wollen“ erlebte ich bei einer 16 jährigen Stute. Sie wollte sich unter keinen Umständen auf den Menschen einlassen und setzte ihre ganze Kraft ein, um ihr „Nicht-Wollen“ zum Ausdruck zu bringen. Sie riss sich kurz vor dem Beginn eines Ausritts vom Menschen los und rannte ohne Rücksicht auf die eigene Gesundheit oder die des Menschen zurück zu ihrem Paddock. Sie stieg und trat gezielt nach dem Menschen, sobald dieser sie in die Arbeit einbinden wollte. Es war – kurz gesagt- ein Extremfall, der lebensgefährlich war.

Und auch bei meinem eigenen Pferd habe ich bereits Situationen erlebt, die eindeutig in die Kategorie „Nicht-Wollen“ fallen. Jedoch ist sie ein sehr beherrschtes und grundsätzlich zufriedenes Pferd, so dass sich ihre Abneigung eher durch kleine Reaktionen zeigte. Dazu gehörte zum Beispiel die Arbeit auf dem Reitplatz. Kurz vor dem Tor stockte sie einmal kurz, an manchen Tagen war sie mit ihrer Konzentration überall, nur nicht bei der Arbeit. Eine Situation, die es zu lösen galt. Schließlich soll die Arbeit uns beiden Freude bereiten. Schritt 1: Der Reitplatz sollte Spaß machen! Also verzichtete ich eine Zeit lang auf konzentrierte Arbeit und setzte darauf, unser Vertrauen spielerisch aufzubauen. Schritt 2: Positive Verstärkung durch Leckerli. Ich war nie der Freund von Futterbelohnungen, aber hin und wieder ein kleines Leckerchen, wenn sie etwas besonders gut gemacht hatte, steigerte ihre Laune zusehends. Nach einiger Zeit ging sie schwungvoll neben mir auf den Reitplatz als schien sie zu fragen: „Was machen wir heute wieder Cooles?“. Seitdem hat die spielerische Freiarbeit einen festen Platz in unserem Trainingsplan.

Doch welche Gründe hat dieses „Nicht-Wollen“ überhaupt?

Zunächst einmal müssen wir herausfinden, ob es sich um ein „Nicht-Wollen“ oder ein „Nicht-Können“ handelt. „Nicht-Können“ kann sowohl körperliche als auch geistige Ursachen haben. Verlangen wir zu viel und haben wir unser Training nicht sinnvoll aufgebaut, führt das zu einer körperlichen Überforderung. Eine Folge können Schmerzen durch falsch belastete Muskelpartien sein.

Gerade junge Pferde sind oft geistig noch nicht so reif, den Ansprüchen des Trainings zu genügen. Deshalb muss das Training auch an die Konzentrationsfähigkeit der Pferde angepasst werden.

Nicht-Wollen kann aber nicht nur durch Überforderung, sondern auch durch Unterforderung entstehen. Diesen Pferden ist schlichtweg langweilig.

Unsicherheit ist ein weiterer Grund für „Nicht-Wollen“. Pferde werden zum Beispiel unsicher, wenn sie dem Menschen auf jeden Fall gefallen wollen und trotzdem das Gefühl haben, nicht alles richtig zu machen. In diesem Fall hilft die positive Verstärkung von kleinen Schritten, dem Pferd Erfolgserlebnisse zu verschaffen. Übungen, die das Pferd gut und gerne macht wirken ebenfalls Wunder. Die Unsicherheit beim Pferd hat natürlich vielfältige Ursachen. Manche Pferde sind von Natur aus unsicher, wie zum Beispiel die Nieren-Typen aus der Traditionellen Chinesischen Medizin. Wie ihr diese Unsicherheit Schritt für Schritt in Selbstsicherheit umwandeln könnt, könnt ihr in diesem Artikel lesen.

Auch die Unsicherheit vom Menschen führt zum Nicht-Wollen. Viele Pferde sind überfordert, wenn sie merken, dass der Mensch nicht weiß, was er möchte. Oder wenn sie merken, dass der Mensch sogar Angst hat. Nicht jedes Pferd ist in der Lage, die Gefühlswelt des Menschen zu kompensieren. In so einer Situation muss zunächst der Mensch an Sicherheit gewinnen. Eine genaue Vorstellung von den sprichwörtlich nächsten Schritten, die wir uns zutrauen,  lässt uns selbstsicher handeln. Konzentrieren wir uns auf den Moment und auf die Stimmung des Pferdes, zeigt uns unser Gefühl den weiteren Weg.

Stress in der Herde oder eine falsche Fütterung löst ebenfalls „Nicht-Wollen“ aus. Ein Pferd, das entweder hungrig oder aber auch vollgefuttert ist, wird kaum motiviert arbeiten können

Wie man mit der Angst beim Reiten umgehen kann, darüber hat Pferdefreunde – Das Blogmagazin einen Artikel veröffentlicht.

Und auch Pferde können sich unter Druck setzen. Diese Pferde wollen immer die beste Leistung bringen und dem Menschen gefallen. Doch der selbst erzeugte Druck kann auf Dauer zu einer Starre führen, die es erstmal aufzulösen heißt. Wir sind in einem solchen Fall in der Verantwortung, dem Pferd den Druck zu nehmen und Ausgleich zu verschaffen, wenn zum Beispiel gerade Turniersaison ist oder wir konzentriert an der Ausbildung feilen.

In jeder Situation, in der wir ein „Nicht-Wollen“ erkennen, müssen wir zunächst die Ursachen für dieses Verhalten finden. Jeder von uns hat bestimmt schon einmal den Satz „Da muss er jetzt durch“ gehört. Und einige Pferde haben dieses „Durch-Müssen“ schon am eignen Leib gespürt. Doch es behandelt nur die Symptome und wird keinen langfristigen Erfolg bringen. Hier und da einmal überzeugend und selbstsicher eingreifen schadet mit Sicherheit nicht. Aber auch hier müssen wir je nach Situation entscheiden.

Was passiert, wenn wir „Nicht-Wollen“ ignorieren?

Jeder von uns hat bestimmt schon solche Momente erlebt, in denen sein Pferd nicht will. Nicht fleißig vorwärts gehen, nicht von der Weide, nicht still stehen. Und jedes Nicht-Wollen wird zu einer Chance für Mensch und Pferd. Denn es ist ein Zeichen dafür, dass wir etwas verändern sollten. Nicht immer sind es große Dinge, manchmal reichen Kleinigkeiten. Ein gemeinsames Spiel, ein entspannter Ausritt oder ein freier Tag werden die Mensch-Pferd-Beziehung stärken.

Ignorieren wir „Nicht-Wollen“ hingegen konsequent, verhindern wir auf Dauer eine engere Bindung. Wir signalisieren unseren Pferden, dass es uns egal ist, was sie gerade fühlen. Da Pferde uns Menschen spiegeln wird diese Ignoranz bald auch von uns Pferden übernommen. Und wer möchte schon ein ignorantes Pferd? Außerdem wird die Motivation beim gemeinsamen Training unter der Ignoranz leiden. Das „Nicht-Wollen“ wird sich verstärken.

Gefühle, die wir ignorieren, werden sich ihren Weg nach außen suchen. Beim Menschen äußern sich ignorierte Gefühle beispielsweise in einer Depression. Und es gibt auch Pferde, die in sich gekehrt sind und scheinbar nicht mehr bewusst am Leben teilnehmen. Andere Anzeichen für unterdrückte Gefühle können auch übermäßige Nervosität oder Wutausbrüche sein.

Von Pferden, die sich vom Leben zurück gezogen haben, handelt dieser Artikel von Tash Horseexperience.

Darf man auch mal „Nicht-Wollen“?

Ganz eindeutig: ja! Wie bei uns Menschen ist auch bei Pferden die Laune jeden Tag anders. Sie ist abhängig vom Wetter: Große Hitze führt zu Trägheit, Wind zu Unruhe und auch auf Kälte reagiert manch ein Pferd empfindlich. Die Stimmung in der Herde spielt ebenfalls eine große Rolle. Sind neue Mitglieder dazu gekommen oder andere gegangen, muss die Rangordnung neu festgelegt werden und das hat oftmals Priorität. An solchen Tagen sollte man ein „Nicht-Wollen“ einfach akzeptieren und dem Pferd zugestehen.

Doch das eindeutige Ja hört da auf, wo es gefährlich für Mensch und Tier wird, wie eingangs am Beispiel der Stute erklärt. Bei ihr lag eine tiefer gehende Störung. Zwar ist auch hier ein Umdenken gefragt, um gemeinsam mit dem Pferd arbeiten zu können. Aber wenn das Pferd die Zusammenarbeit zum Beispiel durch gezielte Tritte verweigert, dann muss in einem solchen Fall genau überlegt werden, wie die weitere Arbeit aussieht.

Dennoch: Jedes „Nicht-Wollen“ ist eine Chance. Eine Chance für das Finden des gemeinsamen Weges und für eine Weiterentwicklung für Mensch und Pferd.

PS: Habt ihr auch schon “Nicht-Wollen” erlebt? Wie sah es bei euren Pferden aus und wie habt ihr dieses “Nicht-Wollen” aufgelöst? Ich freue mich auf eure Erfahrungen!

 

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